Mittwoch, 12. August 2015

Berlin, wir fahren nach Berlin!

Es ist soweit, zwei Wochen des Taperings mit extrem heruntergefahrener Belastung nähern sich dem Ende. Berlin rückt näher. Die 100 Meilen - vor einiger Zeit noch so fern - sind nun zum Greifen nah.

Die Packliste steht, morgen wird gepackt und am Freitag geht es früh los. Schon jetzt einen ganz herzlichen Dank an Yvy und Henning, die uns auf dem Rad einen großen und entscheidenden Teil des Laufes begleiten wollen und uns damit zum einen den Rucksack über weite Strecken ersparen, zum anderen uns aber auch einen gemeinsamen Lauf mit allen seinen Problemen.

Warum? Gibt es etwas schöneres, als mit seinem Partner gemeinsam eine solche Strecke zu bewältigen? Na ja, was den Zieleinlauf angeht sicher nicht, für weite Strecken davor sicher schon.

Denn man ist, je länger die Distanz wird, in unterschiedlichen Zyklen. Dem einen geht es gerade super, da klappt es beim anderen gerade nicht. Man versprüht gute Laune, während der andere gerade vor sich hin stöhnt und mit sich und der Strecke hadert. Das kann ganz schön runterziehen. Ultralaufen ist erst einmal ein Indvidualsport, jeder geht anders mit diversen Schwierigkeiten um, die unweigerlich kommen werden. Und in psychisch sensiblen Phasen ist der große Ehekrach schnell da. Haben wir alles schon erlebt. Nein, jeder in seinem Tempo, das ist besser für uns beide. Was nicht heißen muss, dass Claudia langsamer läuft als ich. In Abschnitten unserer langen Trainingsläufe schien sie durchaus zäher zu sein als ich. Mein Kopf ist ein wenig stabiler, glaube ich. Ich habe einen gepflegten Grundoptimismus, der mir sehr helfen wird und schon oft geholfen hat.

Womit wir bei der Vorbereitung wären. Ich habe die Strecke bis ins kleinste Detail studiert. Nicht nur Wegbeschaffenheiten, auch das Höhenprofil und die kleinen und großen Dinge rechts und links der Strecke. Ich habe mir die Videos der letzten beiden Jahre angesehen, habe mit Google-Earth den Laptop heißlaufen lassen und mir Gedanken über Durchschnittspace einschließlich der Pausen gemacht. Ich möchte zwischen 6:15 und 6:30er Pace laufen, das habe ich beim Sternlauf Münser als nachhaltig angenehmes Tempo empfunden. Wann und wie lange ich Pausen einlegen muss oder möchte, wird man dann sehen, das entscheide ich spontan. Auch nach Wetterlage. Meine Angst vor der Entfernung habe ich verloren, das habe ich schon in Münster gemerkt. Wohlgemerkt, die Angst, nicht den Respekt.
Ich bin noch nie in meinem Leben diese Distanz gelaufen, ob mein Körper es genauso möchte wie mein Geist kann ich noch nicht wissen. Aber ich spüre eine wahnsinnige Vorfreude auf die Strecke, auf die vielen Details des Mauerweges. Aber auch das historiche Geschenk, diesen Weg laufen zu dürfen. Ich  bin 1986 mit zwei Fußballkollegen die letzten Streckenkilometer noch entlang der damals intakten Mauer gelaufen, habe respektvoll die Wachen in den Wachtürmen betrachtet und von den Holztribünen in den Todessstreifen geschaut. Wer das noch gesehen hat, läuft mit anderen Gedanken da entlang.

Auch berühren mich die Mauertoten, derer an vielen Punkten unterwegs gedacht werden kann. Das waren Menschen, die das Leben dort so satt hatten, dass sie ihr eigenes riskiert haben. Aber auch die Schützen, teilweise blutjunge wehrpflichtige, wie ich auch damals, 1987/88 einer war. Hätte ich geschossen, wie diejenigen, die noch 1989 Christ Gueffroy als letztes Opfer erschossen hatten?
Hätte ich den Mut gehabt, alles zu riskieren, um ein neues Leben im Westen anfangen zu können?

Mit diesen Fragen werde ich mich auch unterwegs eingehend beschäftigen können und das finde ich sehr spannend. Ich werde Euch an den Antworten teil haben lassen.

Warum wir diese Projekt und dann bald die TorTour de Ruhr auf uns nehmen? Im Grunde, weil ich wissen will, wo meine Grenzen liegen. Was liegt da näher, als permanent über eine Grenze zu laufen?

Haben wir richtig trainiert? Ja, ja und nochmals ja! Nach dem Wien-Marathon die 131 km am Seilersee, dort Nachtlauf getestet, dieverse Ernährungsexperimente gemacht und auch mit dem Tempo gespielt. Dann noch einmal in Coesfeld Gas gegeben beim Marathon, weitere 4 Marathonläufe bis Ende Juni relativ entspannt gelaufen. Dann einmal 70 und einmal 78 Kilomter als lange Trainingsläufe, dazwischen dann ab und zu ein paar Tempointervalle mit der Ausdauerschule und ein schneller 10er im Urlaub in Belgien. Und etliche Rennrad-Kilometer, seit Claudia ihr neues Rad besitzt, um gelenkschonendes Ausdauertraining ergänzend zu betreiben. Wenn das nicht reicht, dann ist es so. Dann hätten wir unsere Grenze gefunden.

Es geht nicht um Zeit, wenn man mal von den 24h für den "Buckle" absieht. Es geht um das Finish. Und um ganz viel neue Erfahrung.....


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen