Donnerstag, 11. August 2016

Leergelaufen

Nach dem Rhein-Ruhr Marathon wollte ich es den Juni ruhig angehen lassen, um im Juli langsam wieder ins Tempotraining für den Frankfurt-Marathon einzusteigen. Aber erstens kommt es anders,zweitens als man denkt. Blieb der Juni tatsächlich relativ ruhig, ging der Juli ungeplant weiter. Der Bericht zum Kölnpfad ist hier zu lesen http://laufen-in-dortmund.de/spontan-zum-koelnpfad-10-x11/ , das Ding war alleine schon eine Wahnsinnstat, wie auch die benötigte Zeit von gut 17 Stunden für 115 gelaufene Kilometer zeigte. Die Woche danach hatten wir uns irgendwann im Juni noch spontan für den Hillymanjaro, einem Ultra-Forschungsprojekt von Michele Ufer entschieden. Die Höhenmeter sollten einen Vorgeschmack auf den Allgäu-Panorama-Ultra im August geben. Hier ging es darum, im Rahmen eines 6h-Trail-Laufs unterwegs Fragebögen zum Befinden auszufüllen. Hier ging es mir sogar wieder relativ gut, auch wenn nach dem Kölnfpfad nur eine Woche verstrichen war. Ich schaffte 47 Kilometer mit über 1000 Höhenmetern in gut 5 1/2 Stunden, da nur ganze Runden gewertet wurden, schenkte ich mir den Versuch, die letzte noch unter einer halbe Stunde zu schaffen. Einleichter Anflug von Vernunft. Mein Anfang Juli begonnenes Training nach Trainingsplan lief eigentlich ganz gut an, wenn ich auch noch lange nicht bei den Zeiten war, wo ich hin wollte. Es begann, sogar wieder Spaß zu machen.
Dennoch fühle ich mich immer total leer. Im Job bin ich seit fast eineinhalb Jahren ständig so belastet, wie früher nur in kurzen Phasen. Das Laufen brauche ich, um davon dann abschalten zu können und dies gelingt mir auch. Mein Körper scheint dies aber nun als Stress zu empfinden. Dazu kommen natürlich völlig unbefriedigende Zeiten im Training. Beispielhaft sei die Pyramide 500-1500-2000-1500-500 an der Regattabahn genannt. Eine 4er Pace war mir nicht möglich, auch nur über 500 m zu laufen. 1500 und 2000 fielen mir mit 4:20 schon schwer.  Danach und währenddessen bin ich entsprechend gefrustet, während mein Verstand mir sagt, dass dies normal sein muss.
Dann kam der Sternlauf Münster.https://youtu.be/6nkizF0afoo
Der sollte unser letztes Warmlaufen vor den 70 aplinen Kilometern 14 Tage später werden. Ich ging - anders als beim Kölnpfad - gut gelaunt und in der Erwartung eines ruhigen, entspannten Laufes an die Sache heran. Es kam leider völlig anders. Bereits nach zwei Etappen wurde es in Ahlen anstrengend, in den weiten Feldern bis Drensteinfurt fast unerträglich. Bleierne Müdigkeit im Kopf, weniger in den Beinen machte mir zu schaffen.
Auch das Bewusstsein, dass ich das Tempotraining im Juli quasi gerade wieder kaputt laufe, trug nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Ich erinnere mich recht genau an eine Passage zwischen Ahlen und Drensteinfurth, wo mein Garmin auf 36 Kilometer sprang und es nicht voran gehen wollte. "Nur noch ein Marathon" kam es mir in den Sinn. Ich bekam auch meine beruflichen Problemstellungen hier nicht mehr aus dem Kopf, eine Woche vor meinem dreiwöchigen Jahresurlaub gab es eine Menge Probleme, die noch zu lösen waren. Gerade das wollte ich nicht beim Laufen. Und mit einem Male kam mir diese Distanz noch unendlich weit vor. Am Etappenort Albersloh war ich kurz davor, nach knapp 52 Kilometern in den Begleitbully zu steigen. Aber - wäre ich vernünftig, würde ich keine Ultras laufen. Es ging weiter. Auf der folgenden Etappe kam ich fast nicht mehr mit. Schwere Beine, das Tempo gefühlt immer langsamer ließ ich mich nur noch von Mitläufer Arno unterhalten. Gut, dass der viel auf mich einredete und viel zu berichten hatte, das lenkte ab. Dank seiner Hilfe schaffte ich es, deutlich hinter Claudia, der es wieder überraschend gut ging, das vorletzte Etappenziel zu erreichen. Ab da ging es geringfügig besser, aber gut wäre echt gelogen. Mir war klar, dass ich so im Allgäu 14 Tage später nicht die Berge hinauf kommen würde und das nun 14 Tage Pause anstehen müssen. Da traf es sich gut, dass ich sowieso keinen Abend vor 18 Uhr aus dem Büro kam.
Beim Training der Ausdauerschule am folgenden Donnerstag lief ich nur hinterher. Schleifer-Sven bestärkte mich darin, nun wirklich Pause zu machen und den August weitgehend zur Regeneration zu nutzen. Da ich drei Wochen Urlaub habe, sollte dies hoffentlich gelingen. Ich soll dann im September nur noch wenig lange Läufe machen und vorwiegend am Tempo arbeiten. Grundlage hätte ich mehr als genug. An eine Bestzeit in Frankfurt mag ich nicht mehr denken, zu unwahrscheinlich erscheint es mir, noch auf Tempo zu kommen.
Es ist im Moment eine gefährliche Mischung aus beruflicher und sportlicher Belastung. Ich brauche das Laufen dringender denn je, um zu entspannen. Habe aber Ansprüche an mich, die ich derzeit - auch rational nachvollziehbar - nicht erfüllen kann. Sportliche Bestleistungen werde ich in diesem Jahr nicht mehr erreichen können. Ein Jahr ohne PB - das schmerzt. Aber ich habe mir mit der TorTour einen Traum in einer sehr guten Zeit erfüllt. Ist das nichts? Ich hatte Verletzungsprobleme zu Beginn des Jahres, die fast alles in Frage gestellt hätten, was ich geplant hatte. Und meine Leistungen sind immer noch in einem Bereich, um den mich manche beneiden würden. Das muss ich mir immer bewusst machen. Ich werde aus diesem Dauertief heraus kommen. Irgendwann.
Jetzt freue ich mich erst einmal auf den Allgäu-Panorama-Ultra am Wochenende. Und danach auf den "Kärnten läuft" Halbmarathon am Wörthersee. Was ich da laufen werde, weiß ich wirklich noch nicht. Im Moment bin ich leer. Völlig.

Operation gelungen - Patient tot.....Rhein-Ruhr-Marathon

Die erste echte Herausfoderung nach der TorTour wartete am Sonntag mit dem Rhein-Ruhr-Marathon auf mich. Warum ein Marathon noch immer eine Herausforderung ist? Nun ja, ich hatte die Ehre, wieder als Brems- und Zugläufer "nominiert" worden zu sein. Das ist mir zum Einen eine Ehre, wenn ich Marathonis durch meine "Heimatstadt" führen darf, obwohl ich ja nicht dort wohne und eher eine Art Hassliebe zur "Stadt Montan" lebe. Zum Anderen aber auch eine verantwortungsvolle Aufgabe, denn auch von der Qualität der Brems- und Zugläufer(BuZ) hängt die Qualität der Gesamtveranstaltung zu einem kleinen Teil ab.
Die Temperaturen waren sehr warm und schwül vorhergesagt, es würde also durchaus anstrengend werden und ich war bereits im Vorfeld überzeugt, dass Mein BuZ-Kollege Dennis und ich bei weitem nicht so viele Läufer und Läuferinnen würden ins Ziel bringen können wie im Vorjahr. Da war es zwar auch sonnig, aber zunächst noch kühl und wurde erst ab der zweiten Hälfte richtig warm.
Bereits am Samstag auf der Messe, wo wir unsere Startunterlagen und das BuZ-Shirt abholten, diskutierten wir, dass es bei schwülen 28 Grad unverantwortlich wäre, andere Mitläufer in irgendeiner Form zu motivieren oder anzustacheln, "dran" zu bleiben. Man kennt die Leute in der Regel nicht oder nur flüchtig, ich möchte nicht, dass jemand dann umkippt. Jeder Läufer hat eine Gesundheitserklärung mit der Anmeldung abgegeben und sollte volljährig sein. Ob er auch weiß, was schwüle Hitze mit ihm machen kann, kann ich am Ende nicht beurteilen.
Am Sonntag fanden wir uns in aller Frühe bei "Chefin" Christel Valdés ein, sie bittet uns um 7:45 schon ins Stadion zum Gruppenbild mit Gasballons. Leider - oder Gott sei Dank? - ist es noch sehr nebelig und diesig, aber das würde sich wohl schnell legen. So ein Heim-Marathon hat ja auch zur Folge, dass man nicht nur jeden 3.Starter kennt, sondern nur jeden 4. nicht. Also gibt es ein häufiges "Hallo" , man kommt meist keine 3 Meter weit. Irgendwann scheinen alle begrüßt zu sein, ich sitze noch ein wenig mit Birgit, Dennis und Svenja auf einer Bierzelt-Garnitur mit unseren Schildern "3:45" und "5:00", dannn begeben wir uns Richtung Startfeld. Wir starten ein wenig später, denn wegen der Absage des Santander-Marathon in Mönchengladbach am Vortag gab es eine Menge Nachmelder, die nun hier ihr Können unter Beweis stellen wollten. Am Start treffe ich Cousin Andre, der mich auf den "letzten" 115 km der TorTour begleitet hatte. Er war zwischendurch gesundheitlich ein wenig angeschlagen, will aber dennoch ohne große Ambitionen starten. Dann geht es los. Duisburg ist für mich immer irgendwie besonders, obwohl ich zu dieser Stadt eher eine Hassliebe entwickelt habe. Aber irgendwie ist es wohl auch Heimat. Die Gruppe findet sich langsam, ist aber bereits kleiner als vor einem Jahr. Ich setze auf den bewölkten Himmel und möchte etwas schneller laufen, solange dies so ist. Damit hatten wir im letzten Jahre gute Erfahrungen gemacht. Leider reißt bereits am "Oberbayern" auf der Koloniestraße nach eineinhalb Kilometern der Himmel auf und das gelbe Ding kommt durch. Sofort wird es gefühlt 5 Grad wärmer und ich nehme umgehen das leicht erhöhte Tempo heraus. Bereits am Stadttheater kündige ich den ersten Wasserstand an nd empfehle meinen Mitläufern dringend, diesen auch zu nutzen. Oft wenig trinken, auch nicht nur Wasser sondern vor allem auch Iso, wid die Devise des Tages sein. Ich stelle mir immer einen vollen Becher umgedreht auf die Schirmmütze und warte, bis die Flüssigkeit Mütze und Haare durchdrungen hat. Das kühlt und hält eine Weile vor. Bei Kilometer 7 beigen wir in den Hafenbereich ein. "Ein Sechstel haben wir schon!". Mit diesen Tricks will ich den Läufern die Strecke klein reden. In Meiderich sind es schon ein Viertel, hier stehen auch bereits die ersten Anwohner mit Gartenduschen. Der Veranstalter hatte hierzu auf Facebook aufgerufen und dem wird offensichtlich Folge geleistet. Ich erzähle ortsunkundigen Mitläufern ein wenig über den Ortsteil Meiderich und zeige die Heimat des MSV an der Westender Straße. Der MSV-Fanclub gegenüber zeigt sich über meinen Ruf "nie mehr zweite Liga" hingegen wenig erfreut, aber ein wenig Spaß muss ja auch sein. Meine Begleiter halten sich gut, aber hier, kurz vor Ruhrourt, sind es ja auch erst 14 Kilometer.
"Ein Drittel haben wir schon" motiviere ich weiter. Dann geht es über den Rhein. Unseren kleinen Zeitvorsprung lassen wir bewusst an der Rheinbrückenrampe, dann geht es nach Alt-Homberg hineien, wo traditionell eine tolle Stimmung auf der Augustastr. herrscht. Wir lassen uns ein wenig hinreißen, Mitpacer Dennis bremst mich ein wenig. dafür wird es in der flimmernden Hitze kurz vor dem Halbmarathon am Huntsman-Chemiewerk (früher bekannt als Sachtleben) wieder warm. Die Gruppe wird kleiner, erste fallen zurück, was ich aber nicht ändern kann und möchte. Am Halbmarathon am Rheinufer direkt unter der maroden A40-Brücje stehen unsere Kollegen aus der Ausdauerschule, die auf den Staffelwechsel warten. Knapp unter 1:52 h, wir sind gut in der Zeit und haben die Reserven, die wir in der drückenden Schwüle noch brauchen werden, denn die Trinkpausen werden länger. Auf dem Deich Richtung Rheinhausen steht die Lauft beinahe unerträglich. Als wir dort die Brückenrampe der Brücke der Solidarität erreichen, die im Vergleich zu Ruhrort aber sehr moderat ansteigt und dazu im Schatten hoher Bäume liegt. Die Gruppe ist auf maximal 10 Personen geschrumpft. Die Brücke empfängt uns mit Sonne und flimmerndem Asphalt, dann geht es hinein nach Hochfeld. Mir geht es recht gut, ich kann Wärme aber auch gut haben. Cousin Andre haben wir am Rheinhauser Markt überholt, er steigt vernünftigerweise aus. Vernünftig, nach der Vorbelastung hier nichts zu zwingen. Auf der rechten Rheinseite angekommen haben wir fast die 28 Kilometer, die endlos scheinenden Düsseldorfer Straße liegt vor uns. "So, 28 Kilometer geschafft, die Hitze flimmert, der Asphalt glüht, es geht stur geradeaus. Das ist Marathon. Jerzt fängt es erst an!" Erwähne ich zu den letzten "Mohikanern" meiner 3:45er Gruppe, es mögen noch 5 oder 6 sein. Hier habe ich schon Mühe, diese kleine Gruppe noch zusammen zu halten. Baut die gute Stimmung im Duisburger Süden rund um den Buchholzer Markt bei Kilometer 32 dann noch einmal auf und trägt uns durch die vielen Zuschauer, ist danach endgültig Schluss. Die beiden fiesen Anstiege über die A 59 und unter der Bahnstrecke nach Düsseldorf hindurch sprengt die Gruppe endgültig. Wir haben aber keinen Zeitpuffer mehr, um noch Tempo heraus zu nehmen. Unser Job ist es, zur Orientierung das Tempo für 3:45 h zu laufen. Wer es nicht mehr schafft, schafft es nicht. Wir müssen auch an die denken, die ursprünglich schneller laufen wollten und für die wir jetzt ein Rettungsanker sind, wenn wir an ihnen vorbei laufen und sie sich an uns hängen. Auch für mich wird es anstrengend, aber ich habe keine Angst mehr vor nur noch 6 Kilometern. Vorbei an der Unfallklinik geht es durch die letzte Partyzone an der Neidenburger Straße, wo der Moderator bereits in der Ansage meine Mitläufer vermisst. Ich bin tatsächlich mit Dennis fast alleine unterwegs. Dann der Kalkweg, die letzten 3 Kilometer geradeaus. Vor dem Stadion nehme ich noch eine Läuferin mit, die bleibt hinter dem Bogen vor dem Arena-Tunnel stehen und denkt, sie sein da. Ihr Gesicht, als ich Ihr sage es geht noch ins Stadion, war schon sehenswert. Aber es wird eng mit den 3:45.
Wir sprinten gemeinsam und erreichen die Ziellinie tatsächlich in 3:44:59 h. Punktlandung würde ich sagen. Auch für meine Mitläuferin des letzten Kilometers hat es wohl netto noch für unter 3:45 gereicht. So habe ich meinen Job erfüllt und am Ende noch jemanden ins Ziel bekommen, auch wenn die Gruppe mich unterwegs verlassen musste. Es ist aber wohl jeder von uns heil im Ziel angekommen, und das sollte wohl bei diesen Bedingungen die Hauptsache sein. Job done....oder Operation gelungen - Patient tot. Wie man so schön sagt. Man kann es halt bei diesem Wetter nicht zwingen, besser einmal 5 Minuten langsamer als unterwegs zu kollabieren.
Das Erdinger-Alkoholfrei schmeckt gut, steht aber schon etwas zu lange in der Sonne. So greife ich zum frisch gezapften König Pils, das hier auch kostenlos gereicht wird. Allerdings fühle ich mich nach den 0,2 l in der prallen Sonne, als hätte ich 5-6 davon gekippt. Dann kommt Claudia, knapp über 4 Stunden. Auch das ist nach der TorTour, wo sie sich ja noch wesentlich mehr "leer" gelaufen hatte als ich, eine sehr gute Leistung bei diesem Wetter.
Fazit: Ich konnte die Leistung kurz nach dem Ultra abrufen, mit 3:30 wäre es aber ehr eng und ungesund anstrengend geworden. Man sollte eben nur das laufen, was man sicher und locker laufen kann.
Wenn ich im nächsten Jahr wieder dabei sein dürfte, würde mich das freuen. Wenn man dann für Claudia auch ein Plätzchen im Brems- und Zugläuferfeld findet, noch wesentlich mehr.
Jetzt war erst einmal Pause geplant. Was draus wurde, lest ihr im nächsten Blog.