Montag, 31. Oktober 2016

Audere est facere

Festhalle Frankfurt, Sonntag, 29.10.2016. 13:18 Uhr. Ein Läufer mit rot-weißem Oberteil mit dem Aufdruck Ausdauerschule läuft aus dem gleißenden Sonnenlicht des wundervollen Herbsttages in die von bunten Lichtfingern magisch beleuchtete Festhalle in Frankfurt. Ein Blick auf die Uhr, er nimmt Tempo heraus, hebt die Arme und geht langsam die letzten 10 Meter über die Ziellinie. Ein lautes, lang gezogenes „Jaaaaa!“ kämpft gegen die laute, dramatische  Musik und den Applaus der Zuschauer an.  Dann geht er im Ziel erschöpft auf die Knie und vergräbt den Kopf zwischen den Armen.
So hatte ich es mir vorgestellt. Genauso. Und so ist es gekommen. Kann es ein schöneres Geschenk in einem tollen, erlebnisreichen Laufjahr geben?
Den Marathon hatten wir sofort nach unserer Teilnahme 2015 wieder gebucht. Frankfurt ist irgendwie „meine Strecke“, das Gesamtpaket stimmt hier. Die Hotelpreise werden nicht zum Marathon-Wochenende mit Top-Zuschlag versehen wenn man früh genug bucht. Man erhält im Preis inbegriffen einen gut gefüllten Starterbeutel, freies Alkoholfreies auf der gut eingerichteten Marathon-Messe. Dazu ein freies Nudelgericht und noch einmal drei Getränkegutscheine am Samstag und die Festhalle, wo man an vielen Tischen gemütlich andere Läufer treffen und vom Zieleinlauf träumen kann, während im Bühnenprogramm Sportler wie Jan Frodeno oder Arne Gabius ihren Auftritt haben.

Das Ursprungsziel war „Bestzeitenangriff“, was für mich eine Zeit unter 3 Stunden und 10 Minuten bedeutet. Der Abstand zur TorTour de Ruhr erschien mir mit 5 ½ Monaten groß genug, um Regeneration und Tempoaufbau integrieren zu können.
Nach dem ungeplant laufintensiven Sommer und meinem Finish mit einer 1:41 beim Wörthersee-Halbmarathon im Urlaub musste ich mich von diesem Projekt verabschieden. 9 Wochen würden nicht reichen, um mir „Ultra-Leiche“ wieder genug Tempo anzuschleifen, um eine Pace unter 4:30 halten zu können. Aber meine letzte „vorzeigbare“ Marathonzeit ist 2 ½ Jahre alt. Mein Ego verträgt es nicht mehr, zu sagen, ich könne eine 3:11 laufen. Ich muss sagen „Ich konnte eine 3:11 laufen“. Ich habe aber Ansprüche und so setzte ich mein Ziel in jenem Sommerurlaub auf 3:15 herab. In großen Zweifeln, ob das realisierbar sei plante ich vorsorglich ein „Ziel B“ ein, welches dann zumindest„unter 3:20“ liegen sollte. So ging ich ins Tempotraining ab Ende August.
Tempotraining macht nun einmal überhaupt keinen Spaß, solange Du kein Tempo hast. So quälte ich mich durch den September. Gehetzt zwischen Büroterminen und Einbruch der Dunkelheit, hinterherlaufend in der schnellen Donnerstags-Trainingsgruppe in der Ausdauerschule und von steigender Demotivation geplagt, denn die Zweifel wurden mit jeder gequälten 4:55er Pace größer. Hier hielt mich wiederum nur die tolle Trainingsgruppe und die siffüsanten Sprüche unseres Trainers Schleifer-Sven bei der Stange, denen man es ja dann doch irgendwie zeigen will. Auf irgendwelchen Quatsch verzichtete ich in dieser Zeit, selbst den LiDoMa VIII auf der Motocrossstrecke brach ich nach 25 km ab und hatte ihn nur als langen Trainingslauf genutzt, was mir auf diesem grandiosen Läuferspielplatz richtig wehgetan hatte.  Dann liest man von all den anderen Facebook-Freunden, die sich in Frankfurt ähnliches vorgenommen haben. Was die so alles machen. Welche tollen Zeiten die auf Unterdistanzen hinlegen. Und die Zweifel werden nicht kleiner, wenngleich kaum einer von denen schon einmal 23 oder 32 Stunden am Stück gelaufen sein dürfte. Ich denke, das stärkt schon irgendwie meinen Charakter und da aufgeben nie meine Sache war, trainierte ich weiter. Knackpunkt war für mich Bunerts Lichterlauf am 24.9. . Die ungeliebteste aller Unterdistanzen, nämlich die 10 km. Ich völlig lustlos, ahnungslos, welches Tempo ich mir zumuten konnte. Als ich mich dann auf der letzten Rille ins Ziel gekämpft hatte, stand die 43:11 Min. auf meiner Uhr. Über 44 hätte ich bei dem Gefühl im Ziel die 3:15 aufgegeben zu diesem Zeitpunkt. Aber die 43:11 ließ zumindest Hoffnung. Und irgendwie lief es fortan besser. Das Tempo kehrte wie von selbst ins Training zurück. Ich konnte mit einem Male ohne große Anstrengung die Pace von 4:40, später sogar 4:35 über längere Strecken im Training allein laufen, ohne mich von der Uhr treiben lassen zu müssen. Gut, 14 Trainingskilometer sind noch nicht die volle Wettkampfdistanz eines Marathonlaufs. Noch zwei Tests standen an. Mein geplantes „Mini-Trainingslager“ mit der 24h-Staffel beim Traildorado endete bekannt erfolgreich, wenn auch hier mit 64 km in 24 h mehr Laufkilometern als geplant absolviert werden mussten. Der erfolgreiche Ausgang nach großem Kampf zeigte aber, was sein kann, wenn man dafür arbeitet. Für den Kopf und das Ego ganz wichtige Erkenntnis drei Wochen vor dem Marathon.  Dafür baute ich dann eigenmächtig Tempoeinheiten aus meinem Plan aus und Ruhetage ein. Ich hatte das Gefühl, dass Regeneration für mich wichtiger war. Dann kam die Generalprobe, der Rhein-City-Run Düsseldorf-Duisburg. Mit viel Lust und ein wenig Bangen ging ich an den Start. Ich wollte Marathon-Tempo von 4:37/38 testen und sehen, wie ich mich m Ziel fühle. Und im Ziel nahm ich als erstes mein Handy, postete mein Zielfoto und die Zeit von 1:36:11 h, was einer 4:32er Pace entsprach und relativ gut lief. Dazu den Satz, dass ich die 3:15 nun angehen werde. Damit setze ich mich öffentlich bewusst unter Druck, denn nun muss ich auf meine Postings auch Taten folgen lassen.
Das mag nicht jedermanns Sache sein, mein Mittel ist es. Indem ich ein Ziel ausgebe und öffentlich mache, bin ich dann zumindest den ernsthaften Versuch schuldig. Ausreden gibt es immer genug. Aber ein Scheitern ist für mich dann keine Schande, wenn man etwas gewagt hat.  Facebook-Freunde prophezeiten mit eine 3:20 – 3:25 auf dieses Statement. Das finde ich nicht schlimm und auch nicht böse gemeint. Eine bekannte aus dem Ayyo-Team hat sich noch am Samstagabend auf der Messe bei mir entschuldigend geäußert, dass sie nicht an die 3:15 glaubt. Vielleicht 3:18 oder so. Das sehe ich positiv. Denn es setzte letztendlich positive Energien frei, es „denen“ zu zeigen. Nicht böse gemeint, aber sie doch lächelnd zu widerlegen. Auch das ist Motivation. Das ist mir lieber als ein daher gesagtes „Du schaffst das schon“, das nicht von echtem Glauben unterlegt ist, sondern nur aufmunternd wirken soll.
Unser Trainer Roman hatte um diese Zeit auf der FB-Seite der Ausdauerschule eine Posting verfasst, in dem es genau darum ging. An sich und seine Stärken zu glauben. Und auch ich glaubte nun und wollte etwas wagen. Ich zweifelte schon, ob es gelingen könnte. Aber es waren keine „Angstzweifel“ sondern eher „Neugierzweifel“. Und damit war für mich die Belastung weg. Ich freute mich auf Frankfurt, auf viele bekannte Gesichter. Auf unsere Freunde von der Ausdauerschule, und auf die Strecke. Ich wusste, dass ich im Tempo dieses Halbmarathons noch bis km 30 hätte weiterlaufen können. Etwas langsamer dann vielleicht sogar bis 32 oder 35. Und den Rest würde mein starker Wille erledigen. Gepaart mit dem tollen Publikum in Frankfurt auf den letzten 3 ½ Kilometern. Hier ist nämlich nicht kurz vor dem Ziel „tote Hose“, wie in Duisburg auf dem Kalkweg, Hamburg zwischen Außenalster und Dammtor oder selbst in Berlin (zwischen Gendarmenmarkt und Pariser Platz ist der Zuschauerzuspruch bei uns damals eher dürftig gewesen).
Das sind für mich Dinge, die im Vorfeld ganz wichtig waren. Die Strecke zu kennen und zu mögen. Eine positive Einstellung aufgrund vieler positiver Läufer dort zu Frankfurt zu haben. Noch nie ist dort einer unserer 4 Starts danebengegangen. Immer habe ich meine Ziele erreicht oder übertroffen.  In Hamburg beispielsweise ist das anders. Dort bin ich zweimal mehr oder weniger gescheitert. Ich werde diesen Lauf nie lieben, auch wenn er großartig ist.
Die letzten Einheiten verwunderten mich, dann statt Tapering standen noch einmal recht anspruchsvolle Läufe bis zum Dienstag vor dem Rennen auf meinem Plan. Aber die gingen in der geschilderten Stimmung gut, meine tiefe Überzeugung wuchs weiter.
In Frankfurt dann wurde ich selbst am Vorabend nicht wirklich nervös. Ich schlief sehr gut, erst etwas 90 Minuten vor dem Start überkam mich dann auch die Anspannung.
Aber dergestalt, dass ich am liebsten sofort losgelaufen wäre. Ich war heiß wie Frittenfett, jetzt auch abzuliefern. Früh verabschiedete ich mich vor dem Start von meiner Claudia und den anderen, dann ging ich in meinen Startblock 2. Konzentration. Start. Das Ergebnis leitete meinen Bericht ein. Es kam tatsächlich, wie erträumt. Über den Lauf werde ich eine Laufgeschichte verfassen.
Ich möchte hier mit diesem Bericht Mut machen. Mut, weiter zu machen, auch wenn es einmal nicht läuft. Selbstbewusst sich auf seine Stärken zu besinnen, an den Schwächen zu arbeiten. Sich nicht verrückt zu machen, was andere tun. Die haben eine eigene Geschichte. Und die passt niemals 1:1 zu einem selbst.


„Audere est facere“ steht unter dem Wappen der Tottenham Hotsspurs auf der Hose, die ich immer beim Stabi trage. Und auf dem dazugehörigen Trikot aus Klinsmanns Zeiten bei diesem Londoner Verein. „To dare ist to do“, die englische Übersetzung, ziert die Wände des Nachwuchszentrums der „Spurs“ in London, wie ich in einem Bericht in der FAZ gelesen hatte. Etwas zu wagen heißt, es einfach zu tun. Dann aber auch selbstbewusst damit umgehen, wenn es nicht geklappt hat. Geht aber nur, wenn man sich unterwegs nicht selbst betrogen hat. Auch dazu bietet ein Marathon genug Gelegenheiten. Ich habe gewagt. Und alles gewonnen. 

Danke dafür. Wem auch immer.


Freitag, 21. Oktober 2016

Unchain My Heart - endlich wie befreit

Heute war ich mal im Wald. Einfach so.Laufen. regeneratives Laufen sollte es werden, aber ohne Brustgurt. Freitags habe ich früh Feierabend, dann kann ich auch im kommenden Winter noch bei Tageslicht laufen. Montag, Mittwoch und gestern hatte ich die wohl letzten flotten bzw. Intervalleinheiten vor Frankfurt trainiert.
Unterwegs gehe ich das Programm der letzten Wochen einmal durch. Mitte August, nach dem Allgäu-Panorama-Ultra war ich durch. Eine Woche später reichte es beim Wörthersee-Halbmarathon nicht für eine Zeit unter 4:40. Es ging einfach nicht. Eine Woche absolute Laufpause, dann war der August herum und mir bleiben noch gut 8 Wochen. 8 Wochen, in denen ich mich zurück ins Tempo gekämpft habe. Nach vier Wochen hatte ich wenig Hoffnung. Zu quälend waren die Tempoeinheiten, wie mühsam war es, eine 4:45er Pace über auch nur 10 Kilometer zu halten. Wochen mit wenigen Einheiten, an deren Ende stand der Lichterlauf. 10 Kilometer. Es grauste mir vor der Distanz. Ich bin sie gelaufen. Ohne auf die Uhr zu sehen, nur gegen den virtuellen Läufer auf meiner Uhr. Wenn da keine Zeit deutlich unter 45 Minuten heraus gekommen wäre, hatte ich meine Frankfurt-Pläne wohl deutlich zurückschrauben müssen. Aber es ging eine 43:11. Keine Offenbarung, ein Ergebnis, das Mut machte. Also wurde dosiert weiter trainiert. Ich habe gemerkt, dass mein Körper nach den ganzen Belastungen in diesem Jahr Pausen braucht. Aber plötzlich am das Tempo im Training zurück. Ich hatte es nicht gezwungen, bin teilweise lustlos und voller Angst vor der Trainingseinheit los gelaufen, und dann ging es besser als gedacht. Die Pace unter 5 Minuten ging immer besser. Das machte etwas Mut. Aber über die 4:38er Pace in Frankfurt dachte ich gar nicht nach. Die Sicherheit kam am Sonntag beim Rhein-City-Run. Ich lief ihn gut in einer Pace von 4:32, habe mich nicht wirklich gequält und hätte das Tempo eine ganze Weile weiter laufen können.
Wie das konnte? Ich weiß es nicht. Eine physisch und psychisch, weil stets mit Selbstzweifeln durchsetzte, anstrengende Vorbereitung entwickelt sich zäh....und plötzlich platzt der Knoten. Laufen ist doch in jedem Falle Kopfsache. Wahrscheinlich habe ich nicht aufgegeben, weil ich das weiß.
Nach dem Lauf habe ich mich noch im Zielbereich via Facebook geoutet. Ich will die 3:15 in Frankfurt angehen. Ich will etwas riskieren. Einige Kommentare, die mir eine 3:25 und 3:22 prophezeien, motivieren mich zusätzlich. Denn ich weiß, dass man das bei mir nicht so ohne weiteres von einer Zehner- oder Halbmarathonzeit hochrechnen kann. Und die Leute kennen mich und meine aktuelle Situation nicht. Die Ratschläge sind gut gemeint und rechnerisch richtig, aber ich will diesmal nicht rechnen. Ich will etwas wagen, was im Normalfall nicht mit 60 bis 70 Wochenkilometern gehen kann.
Aber ich bin kein Hasadeur.
Montag danach war mir nicht nach erneuten 60 Minuten. Ich lief erst nach dem Abendessen, mit Stirnlampe. Und nur 6 Kilometer. Aber die taten gut. Am Mittwoch dann noch einmal 50 Minuten laufen nach Gefühl. 4:35er Pace, gefühlt locker. Das Tempo von Sonntag war wieder da. Auch die 200-Meter-Intervalle am Donnerstag liefen gut. All das bestätigt mich weiter, dass ich eine Chance habe, mein Ziel zu erreichen.
Dann ist es Frankfurt. Mittlerweile mein "Haus- und Hofmarathon". Mein 5.Start dort. Jeder Start war toll. 2011 mit einer frischen PB aus München und dem ersten Marathon unter 3:20 lief ich mit Daniela und Marion eine Zeit knapp unter 4 Stunden und lernte die Strecke kennen. 2012 dann meine noch heute gültige PB. ich wollte 3:15 und mir gelang eine 3:10:50. Bis heute unerreicht. Es lief so gut wie nie davor und nie mehr danach. 2013 dann mein Marathon eine Woche vor dem New York City Marathon. Mit Arbeits- und Laufkollegen Markus ging es in 5:25 ins Ziel. Stunden, nicht Pace. Markus war glücklich, ich war glücklich. Einen Freund zu seinem Traum verholfen. Auch das war ein Erlebnis, unterwegs und im Ziel. 2014 einmal nicht dabei, mit den vielen Bekannten am PC gefiebert und beschlossen, 2015 wieder dabei sein u wollen. Gesagt, getan. 10 Wochen nach unseren ersten 100 Meilen in Berlin wollte ich Dominik auf 3:25 ziehen. Bei Kilometer 30 musste er verletzt Tempo reduzieren, ich lief allein weiter und in eine Euphorie hinein. Eine 3:22 war die Belohnung für einen 12 Kilometer Endspurt.
Was fasziniert mich an Frankfurt? Ich weiß es nicht. aber es ist so. Ich liebe die Festhalle, der Zieleinlauf ist für mich der schönste. Ich will wieder dieses Gefühl von 2012, als ich auf dem Boden kniete und mit beiden Fäusten auf den Teppich getrommelt hatte. Wenige Sekunden Gänsehaut.
Dafür werde ich hart kämpfen müssen. Aber mit der Leidenschaft, die ich für den Marathon empfinde, kann es gelingen. Wenn es hart wird, schrecken mich 7 oder 8 Kilometer nicht mehr. Die Euphorie des Vorjahres auf der sonst als langweilig verschrienen Mainzer Landstraße kann  mir helfen, wenn die Kraft nachlässt. Und das Vertrauen in die 3:15 Pacer.
Meine Situation ist eine andere als 2012. Ich bin inzwischen im Beruf deutlich mehr belastet, arbeite mehr, intensiver und habe den Kopf nicht mehr so frei. Es ist schwer, sich im Büro abzuhetzen, damit das Training noch zwischen Arbeit und Abendessen mit der Familie passt. Und man läuft nicht so befreit los, wenn man nur schnell in die Laufklamotten springt und sofort wieder raus muss. Umso mehr brauche ich diese sportliche Herausforderung. Ich bin nun gestandener Ultraläufer, habe die 100 Meilen unter 24 Stunden und die 230 Kilometer in 32 Stunden absolviert, die 100 Kilometer, eine Triathlon-Langdistanz. Das kostet Sustanz, gibt aber auch grenzenloses Vertrauen in die eigene Ausdauer. Da kann man 7 oder 8 Kilometer schon einmal laufen, auch wenn es eigentlich nicht mehr geht. Darauf setze ich. Und das gibt mir die Überzeugung, es schaffen zu können.
Fast hatte ich meine Waldrunde beendet.So in Gedanken klang gerade Joe Cocker in meinem Kopfhörer. "Unchain my hear". Ein leidenschaftlicher Song. Befreie mein Herz. So fühlte ich ich heute. Der Druck ist abgefallen. Er wird zurückkehren, wenn ich im Schatten des "Hammering Man" unter dem Messeturm in Frankfurt stehen werde. Aber nicht vorher. Ich war gefühlt regenerativ eine Pace von 4:58 über 9,5 Kilometer gelaufen. Die Vorbereitung ist gelaufen.
Es kann  nun klappen.Oder auch nicht. Dann spielt es aber keine Rolle. Bestzeit wäre es sowieso nicht. Ich habe es dann versucht. Aber warum sollte es nicht klappen?

Ich habe dem Trainingsplan der Ausdauerschule misstraut. Und ihn auch einige Male zu meinem Vorteil abgeändert. Aber er scheint mich dennoch dahin geführt zu haben, wo ich hinkommen konnte.

Damit endet mein knapper Bericht über die Herbstsaison. Mir war nicht oft nach Schreiben. Aber ich komme langsam wieder mit mir und dem Laufen ins reine. Ich hoffe, über Rotterdam 2017 wird es mehr zu berichten geben.

Samstag, 15. Oktober 2016

Training für Frankfurt - der Wahnsinn hat gewisse Methode

Es war ruhig geworden in meinem Blog. Geistig und körperlich leer, in vielerlei Beziehung gestresst lief die ganze Vorbereitung auf Frankfurt nicht so wie geplant. Das "auf Tempo kommen" gestaltete sich äußerst schwierig, mit den vorgegebenen Terminen. 3-Halden-Lauf, Trail des 600 Boitheux, LiDoMa VIII auf der Motocross-Strecke in Werl ließ sich die Vorbereitung nicht so planen, wie ich es gerne gehabt hätte und es auch nötig gewesen wären. Auch das stresst mich, der ich Ansprüche in jeder Beziehung an mich selbst habe.

Noch einmal: Meine letzte "vorzeigbare" Marathonzeit datiert von Mai 2014 in Hamburg - eine 3:11:36. Aber ich muss mich selbst einmal am Riemen reißen. Die Fehler des Sommers stecken in meinem Körper. Dennoch lebt der Traum von einer 3:15 in Frankfurt, so unvernünftig er auch erscheinen mag. Ob er weiter lebt, wird morgen entschieden. Morgen findet die Premiere des Rhein-City-Runs, eines Halbmarathonlaufs von Düsseldorf nach Duisburg statt. 14 Tage vor dem Showdown des Laufjahres in Frankfurt. Einen ernsthaften Tempotest habe ich mit dem Lichterlauf über 10 km bei uns in Duisburg Ende September hinter mir.

Vor diesem Lauf war ich nervöser als vor der Tor Tour de Ruhr. Warum? Es war doch nur ein 10er? Nun, diese Distanz bin ich seit mehr als einem Jahr nicht mehr im Wettkampf gelaufen und ich hasse sie im Grunde. Ich wusste nicht, wie ich ihn angehen sollte, hatte aber den Anspruch, zumindest eine 43er Zeit zu laufen. Meine PB liegt irgendwo knapp unter 41:30, aber davon bin ich weit entfernt. Ich plante mal, mit einer 4:20er Pace los zu laufen. Der erste Kilometer war zu schnell, 4:05. Ups,aber ich fühlte mich ganz gut. Dennoch wusste ich, dass ich mein Tempo schnell reduzieren muss. Das tat ich auch, 4:17 war dann schon näher an dem, was ich mir vorgenommen hatte. Das Wetter war fast optimal, nicht zu warm und nicht zu kalt. Die Strecke kannte ich aus dem Training auswendig und ich wusste, dass ab km 3 ruhiges und kontinuierliches Laufen ohne viele Kurven, Brücken oder sonstige Schweinereien erst einmal möglich war. Bis zum Ende der ersten Runde lief ich meinen Stiefel ziemlich konstant herunter immer so um die 4:20, niemals langsamer. Einige Läufer hatte ich wieder überholt. Die hell erleuchtete Zielgerade und die vielen Leute, die meinen Namen Eingang der zweiten Runde riefen, motivierten für den anstrengenderen zweiten Teil des ganzen, somit wurde dieser Kilometer mit erneut 4:05 wieder viel zu schnell. Egal, das gab Puffer. Es waren nur noch 4 Kilometer. Was sind 4 Kilometer für einen Ultra? Unvorstellbar, das länger als 10 Kilometer zu laufen. Aber egal, da musste ich durch. Schon war das Startende der Regattabahn erreicht und es ging endgültig zurück. Markus lief zu mir auf, der Kollege aus der Ausdauerschule ist ungefähr meine momentane Kragenweite. Ein Stück laufen wir gemeinsam, dann kann ich ihn nicht mehr halten 4:24 für Kilometer 8, war es das schon? Nein Thomas, so leicht kommst Du nicht aus der Nummer. Auch wenn Markus weg war, da waren noch zwei weitere Läufer vor mir, an denen ich mich "festsaugen" konnte. Und das tat ich, auch wenn es weh tat. Kilometer 9 lief wieder in 4:17, auf dem 10. Kilometer konnte ich die "4" erreichen. Ein langer Endspurt, ich war im Ziel. Fertig wie lange nicht mehr. Ich traute mich kaum auf meine Uhr zu sehen. Stünde da nun eine hohe 44 oder so, hätte mich das weit herunter gezogen. Aber nein, eine 43:11 stand zu Buche. Ich freute mich verhalten. Mein Ziel war klar erreicht worden, fast ärgerte ich mich ein wenig, nicht an Markus dran geblieben zu sein, denn der hatte die 42:59 erreicht. Diese 10er-zeit ist keine Offenbarung gemessen an meinem Marathon-Traum von der 3:15, aber ich konnte zumindest ein gewisses Niveau zeigen. Und meine 10er Zeit stand noch nie in irgendwelchen Rechenrelationen zur Marathonzeit, die war immer zu langsam dafür. Ich durfte also weiter träumen und arbeiten.

Die Woche darauf stand ein 28 km GAT 1-Lauf an, der letzte wirklich lange Lauf meiner Vorbereitung, die ja mehr den Fokus auf Tempo haben sollte. Das Wetter war regnerisch, windig. Herbst halt. Nach den schönen Septembertagen für mich eher negativ, ich laufe gerne in Sonne und Wärme. Ich war gespannt, was dieser Lauf bringen würde. Ich spielte ein wenig mit dem Gedanken einer Endbeschleunigung, wollte aber erst einmal sehen, was so von alleine geht. Die Rheinuferrunde hatte ich mir ausgedacht, also ging es durch das Feld zum Rheinufer gegenüber der Alsumer Halde, dann Richtung Homberg. Trotz des strammen Windes, der nie so richtig von hinten zu kommen schien, blieb ich immer knapp unter der 5er Pace. Bei Baerl traf ich unsere Trainerin Sabine, die von ihrer Tochter auf dem Rad begleiet wurde. Wir liefen die nächsten Kilometer gemeinsam, was ihr zu einer ungewollten Endbeschleunigung verhalf und mich daher nicht wirklich ausbremste. Aber gut, das musste eigentlich auch gehen. Langsame Lange hatte ich genug gelaufen in den letzten Monaten. Irgendwie packte mich dann, als Sabine sich in Homberg nach Hause veranbschiedet hatte, der Wahnsinn. Ich unterlief die Ruhrorter Rheinbrücke und steuerte noch auf die A40-Brücke in Essenberg zu. Das ist zunächst einmal nicht so weit, der Rückweg hat es aber in sich, da die Ruhrmündung umlaufen werden muss. Mein Tempo erhöhte sich sogar noch, Beflügelt vom umgekehrten belaufen meiner letzten Meter bei der Tor Tour de Ruhr war sogar ein 4:37er Kilometer darunter. Richtung Ruhrort und Hafenpromenade traf mich aber dann der volle Gegenwind, der sich auf dem Deich bei Laar und Beeckerwerth noch steigerte. Dennoch blieb ich hier klar unter 5er Pace, es war nur halt keine Endbeschleunigung, sonder ein Tempo halten im Gegenwind. Im Endeffekt aber derselbe Effekt. Als ich merkte, dass ich am Fußer der A42-Rheinbrücke bereits 28 Kilometer auf dem Tacho haben würde und damit das gesteckte Trainingsziel erreicht, ließ ich mich am anderen Ufer abholen. Es wären sonst gut 34 Kilometer geworden, dafür war es dann doch etwas schnell. Fazit des entscheidenden langen Laufes: Pace von 4:52 auf 29 Kilometern ganz gut gehalten, trotz des strammen Windes und der weitgehenden Einsamkeit auf der Strecke. Frankfurt könnte klappen.

Mein Mini-Trainingslager beim Traildorado wird in der Geschichte auf  http://laufen-in-dortmund.de/nicht-lange-quatschen-laufen-traildorado-staffel-2016/ beschrieben. Auch wenn es durch Jans Ausfall mehr Kilometer als geplant wurden, war ich auch hier zufrieden. Pace spielt keine Rolle.

Morgen also nun die Generalprobe über die Halbmarathon-Distanz. Die laufe ich eigentlich ganz gerne. Ich darf sie auch nur noch im geplanten Marathon-Renntempo angehen, das wäre eine Pace von 4:38. Im Training am Mittwoch bin ich 12,5 Kilometer problemlos in 4:41er Pace gelaufen, ohne groß auf die Uhr zu sehen. Das macht mich optimistisch. Mit Startnummer vor dem Bauch geht es ja immer etwas leichter.

Im Ziel werde ich dann entscheiden. Habe ich es gepackt und fühle mich gut, versuche ich den Wahnsinn in Frankfurt. Komme ich "auf dem Zahnfleisch" ins Ziel oder schaffe diese Pace gar nicht, muss ich dem Laufjahr wohl den verdienten Tribut zollen. Dann wird umgeplant.

Montag, 10. Oktober 2016

Es geht wieder los....

Zurück aus dem Urlaub. Ja, Urlaub. Wir waren für unsere Verhältnisse richtig lauffaul und haben nicht ein einziges Mal trainiert. War bei dem Wettkampfprogramm ja auch nicht nötig. Aber beliben wir mal in der Reihenfolge.
Am 13.8. um 4 Uhr in der Früh starteten wir Richtung Sonthofen zum Allgäu Panorama Ultra, wo wir gegen halb zehn ankamen. Die erste positive Überraschung gab es bei der Startummernausgabe, die am Vormittag noch im Allgäu-Outlet, einem jener aufgegebenen Karstadt- oder Hertie-Standorte in Kleinstädten, wo sich zumindest ein Resteverwerter von Sport- und Bergkleidung angesiedelt hat. Das Outlet ist einer der Sponsoren des Allgäu-Panorama Laufs.Nr. 1 gab es für Claudia, Nr. 2 für mich. Wir hatten also die Startnummern, die gemeinhin den Top-Favoriten zugewiesen werden. Diese Rolle konnten wir getrost von uns weisen. Am Nachmittag , nachdem wir unser Zwei-Tage-Hotel bezogen hatten, schauten wir uns den Zieleinlauf der 10-Kilometer-Läufer(flach) an , dann gab es die Wettkampfbesprechung. Wir trafen uns mit Michaela aus Köln, die den Marathon laufen wollte, und zwei weiteren Bekannten von ihr. Die Besprechung beinhaltete das Wesentliche, einen Hinweis, besser Stöcke mit zu nehmen, den ich im Gegensatz zu Claudia auch beherzigte, und die Warnung vor dem "gemeinen" Anstieg auf den Sonnenkopf nach knapp 60 Kilometern. Das Wetter versprach, warm zu werden.
Der Sonntag begann mit einem bescheidenen Frühstück, dass man den Läufern im Hotel dankenswerterweise des nachts vor die Zimmer gestellt hatte. Wirr waren schnell am Start, der nur gut 500 m vom Hotel entfernt war. Zum Lauf selbst möchte ich gar nicht so viel sagen, das Video sagt eigentlich alles. Ich stellte bereits bei der Hälfte der Strecke fest, dass ich schon ziemlich leer war und das Laufen fiel, insbesondere ab Skiflugschanze Oberstdorf, immer schwerer. Die Wärme war hier in den Bergen sehr gut auszuhalten, aber der Anstieg ab Osberstdorf machte mich dann wirklich fertig. Es wurde tatsächlich noch ein Kampf mit der deutlichen Unterbietung des Cut-offs, der bei 13 Stunden lag. Wenn man dann für Kilometer 58 33 Minuten braucht, weil es brutal lang und steil nach oben ging, ich alleine war, da Claudia vorgelaufen war und erst am Gipfel des Sonnenkopfs auf mich wartete, wird das im Kopf schon mal eng. Auch die letzte 9 Kilometer über Trailpfade waren wir uns einigbergab hatten es in sich, und so schwer unsere Beine waren, so zogen wir hier die meiste Zeit den schnellen Marsch vor, denn schnell hätte man an einem Stein oder einer Wurzel hängen bleiben können. Das wäre angesichts des bevorstehenden Urlaubs in Kärnten eher kontraproduktiv. Dennoch war die Landschaft für uns Flachlandtiroler berauschend, ich habe trotz der Anstrengung jeden Meter genossen. Als wir nach gut 12:25 h und damit gut 35 Minuten vor dem Cut-off im Ziel am Spaßbad Wonnemar angekommen waren, waren wir uns einig, dass dieser Lauf sehr zu empfehlen war. Nachdem wir uns eine Stunde im Whirlpool des Spaßbades (Eintritt war für uns Läufer frei) einigermaßen erholt hatten, sagten wir aufgrund der fortgeschrittenen Stunde das geplante Essen mit Michaela und Bekannten ab, es war schon zu spät und wir zu platt. Für ein Menü in der "goldenen Möwe" reichte es gerade noch, ehe wir todmüde in unsere Betten fielen.
Spätestens, als wir am folgenden Nachmittag und 450 Kilometer später in Kärnten aus unserem Auto stiegen, merkten wir, was die ungewohnten Anstiege und Gefälle unserer Muskulatur angetan hatten. Schon lange nicht mehr so einen strammen Muskelkater gehabt. Und der hielt sich hartnäckig bis Donnerstag. Hatten wir am Mittwoch versucht, die Garnitzenklamm zu erklettern, was noch halbwegs funktioniert hatte, so zeigte uns der Abstieg über einen normalen Forstweg, dass noch genug Muskelkater da war. So fielen dann weitere Touren in der ersten Woche aus, auch zu einem kurzen Läufchen rund um den Ort kam es irgendwie nicht mehr. Sonntag dann der große Tag des Halbmarathons "Kärnten läuft" entlang des Nordufers des Wörthersees von Velden nach Klagenfurt. Von meinem Plan, "alles was geht" zu laufen, hatte ich mich nach der Muskelkaterwoche schon verabschiedet. Insgeheim jedoch liebäugelte ich schon noch mit der Zeit von vor 4 Jahren am selben Ort, wo ich knapp unter 1:37 geblieben war - allerdings bei 33 Grad Hitze. Wir hatten uns schon auf 20 Grad und Wolken eingestellt, als kurz vor dem Start in Velden doch noch die Wolkendecke aufriss und die Sonne schnell alles aufheizte. Vor allem wurde es schnell schwül. Zwischen Schloßhotel und der Roy-Black-Büste fiel dann der Startschuss, ich lief mit dem 1:40er Pacemaker dann mal mit. Der erste Kilometer durch das mondäne Velden war zwar recht zuschauerfrei, aber wuselig. Dann hatten wir unser Tempo gefunden, es lag so um die 4:40. Die Strecke ist prinzipiell flach, jedoch ständig leicht wellig. Nie viel, aber nie nichts an Steigungen und Gefällen. Schon musste ich mich konzentrieren, das Tempo zu halten. Das ist immer schon ein schlechtes Zeichen. Nach drei Kilometern überlegte ich das erste Mal, ob das Tempo wirklich das richtige für mich war. Nach 4 Kilometern war die Überlegung sehr konkret und kurz vor 5 Kilometern ließ ich abreißen. Sich heute hier Stress zu machen, würde keinen Sinn machen. Irgendwie wollte es nicht. Bereits einige Sekunden langsamer kam ich in eine Art Wohlfühltempo und ein bis zwei Kilometer weiter ging es wieder. Es sollte eben nur ein Tempodauerlauf sein. Je weiter es sich dem Ende zuneigte, desto mehr lief es wieder. .......

BEI MIR LIEF SEITHER LEIDER SCHREIBTECHNISCH NICHT MEHR VIEL. DAHER BRECHE ICH DIESEN BERICHT HIER LEIDER AB. LEERGELAUFEN UND AUCH LEERGESCHRIEBEN. MELDE MICH SPÄTER MAL WIEDER, WENN DER GEIST WIEDER MITSPIELT.